Melbourne - eine interessante Analyse

 

2018 Barthel dtb global

Mona Barthel, Archivfoto: Jürgen Hasenkopf 

 

Bericht Süddeutsche Zeitung, 10. Februar 2021

Von Gerald Kleffmann 

Zwei Möglichkeiten hatte es gegeben. Mona Barthel (aus Neumünster) gab zu, dass sie es sich "lange durch den Kopf gehen" ließ, wie sie sich entscheiden würde. Erste Option: Die Regel des "Protected Ranking" in Anspruch nehmen, das lange Verletzten im Tennis die Chance gewährt, bei einigen ausgewählten Turnieren nach der Rückkehr gleich ins Hauptfeld zu rücken. Die zweite: "Ich habe auch überlegt, nur mit meinem normalen Ranking die Quali zu spielen", erklärte Barthel. Mit diesem Weg hätte sie sich den freien Startplatz für ein anderes Turnier aufgespart. Dann wiederum dachte sie: "Ich habe so gute Erinnerungen an Australien. Ich habe hier immer gut gespielt und Erfolge gehabt." So kam sie zum Entschluss: "Ich riskiere das einfach." Barthel meldete folglich direkt für die Australian Open. Nun, an diesem Dienstag, kann sie ein erstes Fazit ziehen, das erfreulich ausfällt. "Ich bin ziemlich glücklich", übermittelt sie aus Melbourne, "ich habe das auch als große Chance gesehen. Und ich bin natürlich froh, dass das so weit ganz gut geklappt hat."

Mona Barthel aus Neumünster ist eine patente Tennisspielerin, die es 2013 auf den 23. Weltranglistenplatz geschafft hatte. Immer wieder zählte sie zum erweiterten Kreis der deutschen Profis hinter den prägenden Kräften Angelique Kerber, Julia Görges und Andrea Petkovic. Vier WTA-Titel errang sie. Immer wieder aber fehlte Barthel auch. Ihr Körper hat oft nicht mitgemacht. Aufgrund einer rätselhaften Viruserkrankung lag sie einmal fast zwei Monate im Bett. Eine Fußverletzung, die sie vor Beginn der Pandemie auskuriert hat, gehört da fast schon zu den angenehmeren Leidenskapiteln. Dass sie überhaupt immer wieder zurückkommt, bringt ihr im Übrigen zu Recht viel Respekt auf der Tour ein. Wenn sie fit ist wie gerade, trifft sie nämlich den Ball immer noch passabel, in der ersten Runde der Australian Open mühte sie sich am Anfang zwar, besiegte dann aber die Qualifikantin Elisabetta Cocciaretto aus Italien 3:6, 6:4, 6:4. Chance genutzt.

Nur neun Deutsche standen in Runde eins

Persönlich hat Barthel, die in der Bundesliga für den TEC Waldau Stuttgart spielt, mit der zweiten Runde ihr bestes Grand-Slam-Resultat seit drei Jahren bereits eingestellt, auch damals in Melbourne. Sie mag Australien, das Klima, die netten Leute, das sind auch die Gründe, warum sie dort stets gelöster aufspielt. 2017 war sie gar im Achtelfinale, bislang ihr bester Ertrag bei einem Grand-Slam-Turnier.

Wie das im Sport aber manchmal so ist, ist Barthels Leistung nun plötzlich auch in einem größeren Kontext zu sehen. Sie ist es ja, die das deutsche Debakel abgewendet hat. Keine deutsche Spielerin in Runde zwei eines Grand-Slam-Turniers, das hatte es zuletzt 2004 in Wimbledon gegeben. Dieser Tiefpunkt bleibt also vorerst bestehen, aber Barthel wollte entsprechend ihrer angenehmen Art kein großes Aufsehen um sich machen. "Es ist schade, dass ich die einzige deutsche Damenspielerin bin", bedauerte sie höflich, "aber ich versuche, so lange wie möglich die deutsche Fahne hochzuhalten." In der nächsten Partie trifft sie auf die Tschechin Karolina Muchova, die 27. der Weltrangliste ist favorisiert, Barthel ist derzeit die Nummer 127.

Nur neun deutsche Profis - fünf bei den Männern (Zverev, Koepfer, Struff, Hanfmann, Stebe), vier bei den Frauen (Kerber, Petkovic, Siegemund, Barthel) - hatten die Berechtigung für die Teilnahme am Hauptfeld-Wettbewerb errungen, nur Alexander Zverev (nun gegen den amerikanischen Qualifikanten Maxime Cressy), Dominik Koepfer (gegen den Österreicher Dominic Thiem) und Barthel meisterten die Auftakthürde. "Es sah schon mal besser aus", resümierte folgerichtig Boris Becker als Eurosport-Experte. "Ein bisschen Bauchschmerzen" würde ihm die Entwicklung im deutschen Lager machen, gab er zu und ergänzte leicht sarkastisch zu seiner ausgewählten Kleidung, er trage deshalb Schwarz (Hose und Pullover).

Diese Australian Open geben möglicherweise tatsächlich einen Vorgeschmack auf eine neue Ära des deutschen Tennis, in der Triumphe von deutlich weniger DTB-Akteuren zu erwarten sein werden. Das Defizit an Talenten bei den Frauen hinter Kerber & Co. wird jedenfalls deutlicher sichtbar. Auch aus der Qualifikation hatte ja niemand den Sprung ins Hauptfeld geschafft. Bei den Männern immerhin sieht es an der Spitze besser aus, Zverev bleibt die Frontfigur, und auch wenn Jan-Lennard Struff nach eigener Aussage in einem "Katastrophenspiel" 6:7 (2), 6:7 (5), 1:6 gegen den Australier Christopher O'Connell verlor, hat er sich auf der Tour etabliert. Bei den French Open im Herbst hatte etwa Daniel Altmaier als Achtelfinalist aufhorchen lassen (das Qualifikationsturnier für Melbourne verpasste er wegen einer Corona-Infektion), Talente sind schon da.

Dass Geduld erforderlich ist in dieser Sportart, verdeutlicht umso mehr der Weg von Barthel, die nicht aufgab, auch wenn sie befand: "Es ist schwierig nach einer so langen Zeit. Ich war noch nie so lange raus und hatte keine Matches gespielt." Finanziell, ein lohnenswerter Nebeneffekt, hat sie bereits gut 90.000 Euro Preisgeld erwirtschaftet. "Das hilft auf jeden Fall", sagte Barthel, "gerade nachdem ich letztes Jahr kaum etwas verdient habe."

 


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